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366 Tage - 366 Geschichten

366 Tage Challenge 2024
von

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21.05.2024 - trauern(d)

Tränen schimmerten in Magdalenas Augen, während sie auf dem Balkon ihrer Wohnung stand. Der Regen benetzte ihre Klamotten mit seinen Tropfen und sie fror inzwischen sogar, aber trotzdem stand sie hier schon seit über einer Stunde.

Hier hatte sie das Gefühl, Roman nahe sein zu können. Hier hatte sie das Gefühl, ihrer Trauer freien Lauf lassen zu können, denn an einem regnerischen Tag im November hatten sie sich vor über fünf Jahren kennengelernt.

Und jetzt war Roman seit mehreren Wochen einfach nicht mehr da. Fortgerissen aus dem Leben, ohne jegliche Vorwarnung.

Ein Laut, der einem Schluchzen gleichkam, verließ ihre Lippen, als sie daran zurück dachte, wie sie Roman zum ersten Mal begegnet war.
 

“Verdammt!” Fluchend sprang Magdalena aus dem Bett, nachdem sie einen Blick auf die Uhr an ihrem Handy geworfen hatte. Sie hatte gestern abend doch tatsächlich vergessen, den Wecker zu stellen und dementsprechend hatte sie heute hochgradig verschlafen. Schon vor über einer Stunde hätte ihr Dienst in der Kinderklinik beginnen sollen und sie lag noch immer im Bett.

Sie stolperte regelrecht ins Badezimmer, um sich kurz frisch zu machen und umzuziehen. Es dauerte nicht einmal zehn Minuten, bis sie sich ihre Handtasche schnappte und aus der Wohnung hastete.

Das Krankenhaus war Gott sei Dank nicht weit entfernt, aber kaum, dass Magdalena ihre Wohnung verlassen hatte, geriet sie in einen regelrechten Wolkenbruch.

Obwohl sie sich nur hätte drehen müssen, um einen Regenschirm aus ihrer Wohnung zu holen, lief sie einfach los.

Binnen Minuten war sie klatschnass und als sie endlich am Krankenhaus ankam, war ihre Kleidung vollkommen durchnässt. Frustriert fuhr sie sich durch die kurzen, blonden Haare und schüttelte sich kurz, bevor sie das Gebäude betrat. Sie lief geradewegs nach oben in die Abteilung, in der sie momentan arbeitete, aber als sie die Stimme ihrer Kollegin und besten Freundin Greta hörte, hielt sie sofort inne.

“Leni? Was machst du hier?” , sprach die Dunkelhaarige ihre Freundin sofort an, nachdem sie aus einem der Zimmer getreten war.

“Arbeiten natürlich, was denn sonst?”, erwiderte Magdalena und strich sich ein weiteres Mal durch ihre nassen Haare.

“Aber du musst doch heute gar nicht arbeiten?”, widersprach Greta ihr sofort und Magdalenas Stirn runzelte sich automatisch. “Muss ich nicht?”

“Nein, du hast heute frei”, entgegnete Greta mit einem Schmunzeln und ließ ihren Blick über Magdalena hinweg schweifen. “Du hast die letzten zehn Tage durchgearbeitet und bist sogar noch für Anna eingesprungen, weil sie gestern einen Termin hatte. Deinen freien Tag hast du dir heute wirklich verdient”, erklärte Greta und diesmal sanken Magdalenas Schultern ein Stück nach unten. Das erklärte auch, warum sie sich den Wecker gar nicht erst gestellt hatte. Sie hätte ausschlafen können und hätte sich gar nicht so abhetzen müssen, um auf Station zu gelangen.

“Oh”, verließ es lediglich leise ihre Lippen, bevor sie sich von ihrer Freundin abwandte und wieder den Gang entlang lief. Diesmal jedoch in die andere Richtung, um das Krankenhaus wieder zu verlassen.

Vor dem Gebäude holte sie tief Luft und schrie im selben Moment erschrocken auf, als sie durch eine Pfütze vor dem Bürgersteig vollkommen durchnässt wurde. Als ob sie nicht schon durchweicht genug gewesen wäre, aber das setzte dem ganzen noch zusätzlich die Krone auf.

Fluchend schüttelte sie sich und wrang mit einer Hand das Oberteil aus, dass sie gerade trug. Als sie eine fremde Stimme vor sich vernahm, sah sie auf und erblickte einen jungen Mann vor sich.

“Oh mein Gott, das tut mir total leid. Ich habe nicht darauf geachtet, ob sich jemand in der Nähe befindet, als ich mit meinem Fahrrad durch die Pfütze gefahren bin. Kann ich das irgendwie wieder gut machen? Mit einem Kaffee vielleicht?”

Wie ein Wasserfall redete der junge Mann auf sie ein, aber Magdalena schüttelte bloß den Kopf. “Nein, Nein. Schon gut”, versuchte sie abzuwiegeln, aber der Blonde ließ sich nicht so einfach abschütteln.

“Bitte, ich bestehe darauf”, hörte sie erneut seine Stimme, bevor er ihrem Blick folgte, als Magdalena an sich selbst herab sah. So durchnässt, wie sie gerade war, wollte sie unmöglich in irgendein Kaffee gehen und außerdem hätte sie sich eh am liebsten direkt wieder unter ihrer Bettdecke verkrochen.

“Bitte.” Als Magdalenas Blick diesmal erneut auf ihr Gegenüber traf, seufzte sie ergeben und lud ihn zu sich nach Hause ein. Sie wusste nicht, ob es richtig war, einen Fremden zu sich in die Wohnung mitzunehmen, aber umso mehr Zeit an diesem Tag verging, umso wohler fühlte sie sich in der Gegenwart Romans. So wohl, dass der Blonde sogar über Nacht blieb. Und noch viel länger.
 

Und jetzt, fünf Jahre später, stand Magdalena auf ihrem Balkon im Regen und fühlte sich einfach wie nie. Sie trauerte um ihre große Liebe, um den Mann, an dem sie innerhalb von wenigen Tagen ihr Herz verloren hatte.

“Leni? Was machst du denn hier draußen?” Als sie hinter sich die Stimme Gretas vernahm, seufzte sie leise auf. Sie warf ihr einen flüchtigen Blick zu und sah anschließend wieder nach vorne.

“Roman nahe sein”, flüsterte sie leise und verschränkte ihre Arme vor der Brust. Die Tränen, die eben noch in ihren Augen geschimmert hatten, rannen jetzt an ihren Wangen entlang. Erst recht, als Greta zu ihr trat und sie von hinten umarmte. Die Trauer ihrer besten Freundin ging ihr unglaublich nahe und sie wusste einfach nicht, wie sie ihre trauernde Freundin von ihrem Schmerz befreien sollte.

Oder vielmehr, wie sie ihn lindern sollte.

“Was machst du überhaupt hier?”, wollte Magdalena nach ein paar Augenblicken wissen und sah ihre Freundin erneut kurz an, wischte sich mit einer Hand über die Augen.

“Ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Du bist vorhin so schnell verschwunden und da dachte ich, ich komme mit Eis und Wein bei dir vorbei und wir schwelgen gemeinsam in Erinnerungen”, sprach Greta lächelnd und zog Magdalena wieder mit nach drinnen. In den letzten fünf Jahren hatte Greta den Freund ihrer besten Freundin auch ein bisschen besser kennengelernt und durch ihn sogar dessen Cousin Marek kennengelernt, in den sie sich selbst rettungslos verliebt hatte.

“Was hälst du davon, wenn du duschen gehst und dann schauen wir die ganze Nacht einen Trash - Horrorfilm nach dem anderen, während wir uns nur von Eis und Wein ernähren”, schlug Greta vor und nach kurzem Zögern ließ sich Magdalena zu einem Nicken hinreissen.

“Und Gummibären?”, hakte sie nach, denn auch Roman hatte immer zu Gummibären gegriffen, wenn sie einen solchen Film geguckt hatten.

“Und Gummibären”, stimmte Greta zu und umarmte ihre beste Freundin erneut kurz, bevor sie sie in Richtung Badezimmer schob. Sie wusste, dass es richtig und vor allem auch wichtig war, dass Magdalena trauerte, aber sie würde trotzdem alles dafür tun, um den Schmerz zumindest zeitweise ein wenig zu lindern.



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